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Opinionated piece by Stefan Wolff, Professor of International Security, University of Birmingham, UK.

… the EU’s largest and Nato’s second-largest economy, Germany is now also aiming to turn its Bundeswehr (the German army, navy and air force) into the “strongest conventional army in Europe”. Its most senior military officer and chief of defence, Carsten Breuer, has published plans for a rapid and wide-ranging expansion of defence capabilities.

Germany is finally beginning to pull its weight in European defence and security policy. This is absolutely critical to the credibility of the EU in the face of the threat from Russia. Berlin has the financial muscle and the technological and industrial potential to make Europe more of a peer to the US when it comes to defence spending and burden sharing. This will be important to salvage what remains of Nato in light of a highly probable American down-scaling – if not complete abandonment – of its past security commitments to the alliance.

  • Quittenbrot@feddit.org
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    2 days ago

    Also vielleicht ganz grundsätzlich vorweg: ich kann dein Unbehagen bei dieser Thematik gut verstehen und bin selber auch nicht völlig frei davon. Wir haben uns in Deutschland über Jahrzehnte an einen gewissen Umgang mit dem Thema gewöhnt und der wird gerade ziemlich herausgefordert.

    Neitzel ist in meinen Augen jemand, der nun auch noch extra den Finger ganz bewusst in diese gesellschaftliche “Wunde” legt und uns damit in gewisser Hinsicht den Spiegel vorhält und uns ganz explizit mit diesem Unbehagen konfrontiert. Das ist schon polarisierend, aber ich finde auch spannend, was das in uns hervorruft.

    Das komische an der Sache, und das lässt eben auch viel Spielraum für Interpretation, ist, dass er gar nicht genau erklärt, was ihm eigentlich fehlt. Bei der Bundeswehr.

    Ich glaube, ein Thema für ihn ist dieses merkwürdige Spannungsverhältnis, in dem wir die Bundeswehr halten. Nach den unvorstellbaren Gräueln, die wir als Deutsche vor nicht allzu langer Zeit verbrochen haben, haben wir nachvollziehbarerweise große Berührungsängste mit dem Thema, machen uns dabei allerdings auch nicht richtig ehrlich. Wir wollen (vollkommen zurecht, wie ich finde) eine ganz klare Trennung von der Wehrmacht und ihren Verbrechen, wir wollen eine möglichst “verbürokratisierte”, “cleane”, “ungefährliche” Bundeswehr, damit wir nicht noch einmal Täter werden. Das Unehrliche ist jetzt, dass wir einerseits am liebsten wohl gar keine (sichtbare) Bundeswehr mehr hätten, wir uns am liebsten gar nicht mit diesem Themenkomplex auseinandersetzen wollen, eine extrem ausgeprägte Grundskepsis gegenüber dem militärischen haben, andererseits aber natürlich trotzdem von der Bundeswehr und den Soldaten erwarten, dass sie für uns kämpfen und töten würden und im Äußersten auch bereit wären, das eigene Leben zu geben.

    Ich kann wie gesagt sehr gut verstehen, warum wir als Gesellschaft so denken. Ich kann aber auch nachvollziehen, dass diese “Scheinheiligkeit” für die Soldaten sehr unbefriedigend ist.

    Neitzel sagt nun, dass wir als Gesellschaft quasi erfolgreich verdrängt hätten, dass ein Soldat nicht zuletzt zum kämpfen da ist, dafür trainiert und danach strebt, darin immer besser zu werden. Wir möchten diese Tatsache aber nicht artikulieren, weil wir sie eigentlich nicht hören wollen. Das ist für die Soldaten aber der Beruf, den sie perfektionieren möchten und im Zweifel erkennen sie in dem angesprochenen Nachtflieger Lent primär den erfolgreichen Flieger als “handwerkliches Vorbild”. Er wünscht sich, dass wir beides haben können: einmal die Vorbilder für die Gesinnung, die den Soldaten die richtigen Werte vorgeben - einmal die Vorbilder für den eigentlichen Beruf, in dem sie sich verbessern wollen.

    Klar ist natürlich, dass das ein sehr schwieriges Terrain ist und wirklich nur Leistung, niemals jedoch die Ideologie so eine Figur bestimmen darf. Ich tue mich schwer damit und hätte es am liebsten, wenn wir dabei gar nicht mehr über Leute aus der Wehrmacht diskutieren müssten, aber ich will nicht ausschließen, dass es einzelne Figuren gibt, bei denen die Leistung die Ideologie so überragt, dass sie Leistungsvorbild sein könnten.

    Interessant ist in dem Kontext, dass er sagt, dass sobald “eigene Geschichte” geschaffen wurde, wie beispielsweise durch Einsätze in Afghanistan, diese die alten Figuren von früher sofort verdrängt hat, es also ohnehin mit jedem Bundeswehreinsatz weniger relevant wird.

    Wenn er sagt, die Panzer müssten halt die Nazimanöver üben, klingt das, als hätte die Zeit von 50 - 2022 gar nicht existiert.

    Ich verstehe ihn so: Panzer im heutigen Sinne und Fallschirmspringer haben ihren Ursprung in den 30ern. Also wurde da auch sehr viel “taktische Grundlagenforschung” betrieben und viele dieser Taktiken sind wohl bis heute valide. Man macht also mit Panzern heute keine Nazimanöver, weil die Nazis so toll sind, sondern weil die sich damit damals so intensiv auseinandergesetzt haben. Das ist genau die von ihm kritisierte fehlende Differenzierung bei uns in der Gesellschaft, die zwar sagt, dass man Käfer fahren oder Autobahn benutzen kann, ohne damit Nazitum zum Ausdruck bringen zu möchten, aber wenn Panzer Taktiken aus der Wehrmachtszeit nutzen sollten, schrillen bei uns die Alarmglocken.

    Ausserdem: Das war doch immerhin Verteidigung, was man ja jetzt ebenfalls wünscht, wie es heisst, und ich meine mich zu erinnern, dass die Wehrmacht mehr so auf Angriff gebürstet war.

    Das ist wie bei der aktuellen Diskussion bei der Ukraine bezüglich “Verteidigungs-” und “Angriffswaffen”. Die Trennung ist am Ende ja nicht so scharf zu ziehen wie manchmal suggeriert. Ein Soldat mit Gewehr kann ein Haus stürmen oder ein Haus verteidigen. Ein Verteidiger kann mit 20 Panzern einen Entlastungsangriff gegen den Angreifer fahren, um ihn aus seinem Land zu drängen. Ich kann mit Panzerhaubitzen entweder gegnerische Stellungen aufweichen, bevor ich sie angreife, oder bevor sie mich angreifen. Eine Armee muss angreifen und verteidigen können, auch wenn sie nie beabsichtigt, ein gegnerisches Land zu erobern.

    Ebenso die Frage wie die Bundeswehr zur Demokratie passt. Müssen wir uns wirklich diese Frage stellen? Sind das nicht auch erledigte Debatten aus dem 20. Jahrhundert?

    Doch, die Frage finde ich schon ziemlich interessant und aktuell. Vor der russischen Vollinvasion hatten wir viele Stimmen, die recht laut darüber nachgedacht haben, ob wir überhaupt noch eine Bundeswehr brauchen, weil doch eh Frieden um uns herum ist. Stetiger Abbau seit den 1990ern ist ja auch ein Anzeichen dafür, dass die unterstellte Wichtigkeit abgenommen hat. Jetzt hat es sich gedreht und gerade wir in Deutschland müssen uns ehrlich machen. Die Amis, als bisherige militärische Abschreckschutzmacht, sind nicht mehr vertrauenswürdig und plötzlich schauen Leute zb aus dem Baltikum auf uns und sagen “macht was!”. Wir müssen also anfangen, auch den militärischen Aspekt in die eigenen Hände zu nehmen, nachdem wir das vorher jahrzehntelang an die Amis (und in der anderen Hälfte auf die Sowjets) outgesourced hatten. Das ist super spannend, weil sich jetzt auch entscheidet, was wir eigentlich haben wollen, wie wir das politisch/gesellschaftlich begleiten und definieren werden. Wir werden Spagat machen müssen zwischen unserem gesellschaftlich verankerten Unwillen, eine militärische Macht zu werden und der geopolitischen Notwendigkeit, uns nicht mehr auf Amerikaner verlassen zu können und selber für die Sicherheit unseres Kontinents sorgen zu müssen.

    Was für eine Wand von Text. Entschuldige bitte.